"Deine Straße ist auch meine Straße" schrieb Caroline von Linsingen ihrem Geliebten. Ihr Schreiben an den Duke of Clarence ist einer von 21 Liebesbriefen, die im Frühjahr 2004 beim ContraPunkt-Hörbuchverlag erschienen sind. Unter dem Titel "Mein Herz ist voller Weh und Sehnen" rezitieren Catharina von Bergen und Frank Suchland aus den Zeugnissen prominenter Liebender. Ein informatives Begleitheft verrät Wissenswertes über die Absender der vorgelesenen Briefe und ihre Empfänger.
In den Abschnitten "Briefe der Hoffnung", "Briefe der Leidenschaft", "Briefe der Sehnsucht", "Briefe der Zweifel" und "Briefe des Abschieds" werden fast alle Höhen und Tiefen der Liebe ausgedrückt. Auch die Liebe zwischen den Frauen Felice Schragenheim und Lilly Wust sowie die zwischen den Männern Oscar Wilde und Lord Alfred Douglas kommen ebenso einfühlsam zur Sprache wie romantische oder erotische Gefühle zwischen Mann und Frau.
Getrennt werden die fünf Themenblöcke durch Musik von Oliver Hartmann, die auf die Stimmung der nachfolgenden Briefe vorbereiten soll. Am Anfang wirkt sie ein wenig melodramatisch, aber zwischen den Texten ist sie dann durchaus stimmig.
Immer im Wechsel lesen Frank Suchland und Catharina von Bergen je einen Brief vor. Meist handelt es sich dabei um literarisch ausgefeilte Bekundungen großer Gefühle. Autoren wie Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Bettina von Brentano und Joachim Ringelnatz stehen Musiker wie Franz Liszt, Robert Schumann und Clara Wieck gegenüber. Von vorsichtiger Vergewisserung der Entgegnung eigener Gefühle über flehentliches Bitten um Erhörung und die euphorische Freude über eine Erwiderung der Liebe bis hin zur Trauer über ihr Entschwinden im Alltag reicht die Palette der von Frank Suchland ausgewählten Texte.
Meist sind sie tief und innig geschrieben. Ein wenig Komik wie bei Max Dauthendeys Schreiben aus Java an seine Frau Annie darf aber auch mal sein.
Voller Gefühl werden diese Liebesbriefe dem Lesenden über "das Postamt der Liebe" zugestellt. Unvermittelt weht ihm der Hauch zärtlicher Empfindungen entgegen.
Frank Suchland kann beim Lesen seinen leicht melancholischen Grundton nicht immer ausblenden; doch insgesamt liest der Schauspieler gut. Deutlich übertroffen wird seine Rezitationskunst aber von Catharina von Bergen. Ganz am Anfang muss man sich zunächst an ihre helle und klare, fast mädchenhafte Stimme gewöhnen. Doch dann zieht ihre innere Beteiligung den Zuhörer unwillkürlich in den Bann. Man versinkt vollständig in ihrem leidenschaftlichen Vortrag. Furcht, Freude, Verzweiflung, Unsicherheit und zärtliche Zugewandtheit drückt ihre Stimme mal schnell, mal zögerlich, mal leise und mal freudig erregt, aber immer absolut glaubwürdig aus. Mit geradezu genialem Einfühlungsvermögen intoniert sie jeden Brief so gefühlvoll, als habe sie selbst ihn eben erst geschrieben!
Ihr absolutes Meisterstück liefert von Bergen mit dem Brief von Rosa Luxemburg an Leon Jogiches ab. Allein in diesem einen Text fächert sie die ganze Palette der Gefühle von Liebe über Zweifel, Angst , Hass und Trauer bis hin zur erneuten Hoffnung auf.
Vor allem dank ihrer innigen Interpretation vergehen 67 Minuten wie im Fluge. Dabei wird es trotz des romantischen Themas nie kitschig-sentimental.
Von Bergen und Suchland tragen den Zuhörer in seine eigene Gefühlswelt voller Erinnerungen an schöne und schreckliche Stunden. Ihre Lesung reizt zum Träumen, zum Mitfühlen oder einfach nur zum Genießen. Dieses wunderschöne Hörbuch ist wirklich zum Verlieben!