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  Helga Maria Schneider schlägt sich durch: Eiersalat

Es gibt Leute, die finden ihn einfach nur total albern und unlustig. Und es gibt Leute, die finden alles, ja wirklich alles, was dieser Mann tut, schier genial. Die "Wahrheit" liegt, selbst bei einem hoffnungslosen Polarisierer wie Helge Schneider, irgendwo dazwischen. Schneider, der unvergleichliche Dada-Clown, der musikalische Großmeister, ist nämlich kein Profi. Und so folgen in seiner Karriere seit jeher, seien es Auftritte, Musikalben, Bücher oder Filme, auf unvergessliche Höhepunkte peinliche Totalausfälle - und umgekehrt.
Bevor Schneider dieses Jahr mit "Mendy, das Wusical!" und "Aprikose, Banane, Erdbeer" zwei Hörbucher in die Läden brachte, betätigte er sich bereits 1999 alias Helga Maria Schneider mit "Eiersalat - Eine Frau geht seinen Weg" als Vertoner eines eigenen Buches. Die zwei CDs mit der Gesamtlaufzeit von 130 Minuten sind bei "tacheles!", dem Hörbuch-Label von "Roof Music", erschienen.
Helga Maria Schneider, das ist eine ultra-radikalfeministische Schriftstellerin, die Männer schlägt und regelmäßig klaut. Außerdem liest sie gerne Rosamunde Pilcher und hört Lisa Fitz. Nebenher gebiert sie Kinder von wildfremden Kerlen. Ihren nichtsnutzigen Ehemann hat sie nach einem Griechenland-Urlaub rausgeschmissen. Er hatte daheim die Blumen nicht gegossen. Irgendwann steht Urlaubsbums Spiros - "Ich wollte ein Kind von diesem Ureinwohner." - vor der Tür und nimmt seinen unterdessen in Helgas Küche geborenen Sohn "Unbekannt" mit.
Helga verkauft ihr Haus und zieht in eine Frauen-WG. Unter dem Decknamen "Christiane Kohlund" nistet sie sich bei Bedarf in ein unbezahltes Apartment ein und geht auf Klautour. Eines Tages will sie wieder heiraten. "Ich hatte Lust auf Prügeleien".
Erwin heißt der Muskelprotz. Das Ergebnis ist diesmal endlich eine Tochter. Sie heißt Amaryllis. Den Vater stellt Helga - wie immer - direkt nach der "Paarungsaktion" kalt. Jahre später, als sie herausbekommt, dass sich Amaryllis mit "Mannszeug" abgibt, kann sich auch die Tochter zum Teufel scheren.
Auf dem Weg zur "totalen Emanzipation" besucht Helga einen Rhetorikkurs, schneidet einem LKW-Fahrer die Ohren ab, eröffnet eine "feministische Autowerkstatt und Sattlerei" und fährt mit dem Motorrad zum internationalen Frauentreffen nach Burundi. Dort hat sie Sex mit Kofi. Indessen hat eine Gallen-Operation bewirkt, dass Helga die Existenz von Männern nun akzeptiert.
Diese Geschichte ist genauso sympathisch wie ihre Protagonistin. Ihre Erlebnisse liest Helga Maria Schneider mit multiplen Stimmen vor, springt innerhalb eines Satzes von hysterisch nach transusig und vernuschelt hastig die Satzenden. Weiterhin zeichnet sich dieses Hörbuch durch Klavierbegleitung, Versprecher und den Gegensatz von sehr laut und extrem leise gelesenen Passagen aus. Der uninspirierten Geschichte sei Dank, hat man während letzteren immerhin nie das Gefühl, irgendwas zu verpassen. Denn das ist schon eine ziemlich fiese Portion Belanglosigkeit, die uns Helga Maria alias Helge da vor den Latz klatscht. Richtig ärgerlich aber ist, dass Schneider die Langeweile mit einer unmotivierten, dumpfen Verhöhnung von Feminismus paart. Nicht zuletzt wird der Schwachsinnstext von Schneiders bemüht "schneidereskem" Vortrag selbst entwertet. Dieses Hörbuch bestätigt, was sich einem schon in manchen Interviews aufdrängen konnte: In ein formales Korsett gezwängt, scheint Helge Schneider seinen virtuos-absurden Dada-Humor nicht entfalten zu können. Der für Schneider so wichtige Improvisationsspielraum, aus dem er seine Absurdität ja wesentlich speist, fehlt. So wirken rituelle Kopulationsaufforderungen wie "Fick mich, du Schwein!" eben nur geschmacklos.
Einem früheren Buch namens "Zieh dich aus du alte Hippe" stellte Schneider ein Nachwort hintan, in dem er mit schamhafter Bewunderung all denjenigen dankte, die sein Buch nicht nur gekauft, sondern sogar gelesen haben. Nach dem "Genuss" dieses akustischen "Eiersalats" müsste man nicht nur mit Bewunderung, sondern auch mit einem Gutschein über die soeben verschwendeten 130 Minuten belohnt werden.
Dies schrieb ein großer Fan von Helge Schneider.

Helge Schneider, "Eiersalat"
Gelesen von Helge Schneider
2 CDs, Gesamtdauer 130 Minuten
© 1999 by Tachelles
ISBN: 3-9333686-38-5

 

 

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