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  Abgehoben: Geschichten vom Herrn Keuner

Er nennt sich Herr Keuner oder auch mal K. So heißt die Titelfigur in Bert Brechts "Geschichten vom Herrn Keuner". Beim Audio-Verlag sind sie Ende 2004 als Lesung erschienen. Manfred Krug trägt die Geschichten vor.
50 epische Kleinformen sind Brechts literarische Antwort auf Karl Marx .Herr Keuner, der Spezialist für ungewohnte Perspektiven, der alles geraderückende Querdenker, antwortet auf Fragen oder spricht nicht weniger rätselhaft von sich selbst. Dabei langt er - bei aller Originalität - kräftig in die marx´sche Weltverbesserungskiste , thematisch wie methodisch.
So bestimmen in seinen Sinnsprüchen die ökonomischen Verhältnisse das Bewußtsein, wenn er in Spruch Nummer 34 erzählt: "Ein Prolet wurde vor Gericht befragt, ob er die weltliche oder kirchliche Form des Eides benutzen wollte. Er antwortete: Ich bin arbeitslos."
Nicht fehlen darf auch "Die Frage, ob es einen Gott gibt". Selbstverständlich wird sie mit einem "Nein" beantwortet, wenn auch einem verklausulierten. Denn man ist ja Atheist!
Die marxistischen Botschaften sind überholt, weiß man doch inzwischen, dass die Realität viel unberechenbarer ist als es die ideologische Zwangsjacke zulässt. Dennoch sind Brechts paradoxe - an der marxschen Dialektik geschulten Verrätselungen - nicht reizlos, befreien sie doch von eingleisigen Denkschablonen. Sie machen stutzig und vermitteln Denkanstöße.
Aber nicht immer. Brecht bedient sich einiger Chiasmen, die - ähnlich zenbuddhistischer Koans - zwar das Denken bewegen, aber es schlichtweg ins Leere laufen lassen wie dieses hier: "Wenn ich mit den Dingen einig bin", sagte Herr K., "verstehe ich die Dinge nicht, sondern die Dinge verstehen mich." Zitat Ende. Verstehe das, wer will!
Es ist überflüssig, zu erwähnen, dass die Keuner-Geschichten - bei aller Kritik an ihren Inhalten - eine literarische Meisterleistung darstellen, die damals wie heute gleichermaßen fasziniert.
Eigentlich bietet sich Manfred Krug, der in seinen Rollen nüchtern und bodenständig wirkt, als idealer Rezitator für die Brecht´schen Texte an. Leider überzieht er aber die Keuner-Geschichten mit einem nicht angemessenen, weihevollen touch. Hinzu kommt, dass der ehemalige DDR- Schauspieler seine Zuhörer väterlich an die Hand nimmt und ihnen Schritt für Schritt - Silbe für Silbe behutsam betonend - den großen Brecht nahebringen will. Unweigerlich fühlt man sich in die Rolle eines Grundschülers hineinversetzt, der unfähig ist, dem großen Literaten zu folgen.
Bis auf diese pädagogischen "Einfühlsamkeiten" ist das Hörbuch aber durchaus gelungen.

Bertolt Brecht, "Geschichten vom Herrn Keuner"
Gelesen von Manfred Krug
1 CD, Gesamtdauer 44 Minuten
Produktion: Deutchlandradio berlin 2004
© 2005 by Der Audioverlag
ISBN: 3 - 89813 - 406 - 7

 

 

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