"Das Wahre lebt nur, solange es der geheimnisvolle Schleier der Sehnsucht umhüllt", schreibt Giacomo Casanova seiner einzigen wahren Liebe, der mit dem Grafen von Parma verheirateten Francesca. Ob die Liebenden in einer ungewissen Zukunft doch noch zueinander finden, lässt der ungarische Autor Shándor Márai (1900 - 1989) in seiner Novelle von 1940 offen.
In "Die Gräfin von Parma" erzählt Márai eine fiktionale Episode aus dem Leben des wohl berühmtesten Liebhabers der Weltgeschichte. Die Aufzeichnungen des adligen Venezianers selbst haben ihn dazu inspiriert. Nach einer von Ren‚e von Stipsicz-Gariboldi besorgten Übersetzung aus dem Ungarischen ist diese Geschichte im Frühjahr 2005 als Hörspiel im Audio-Verlag erschienen. Die Hauptrollen sprechen Rufus Beck als Erzähler, Sylvester Groth als Giacomo Casanova und Lena Stolze als dessen Angebetete, die Gräfin von Parma.
Nach seiner Flucht aus Venedig steigt Casanova in Bozen ab. Sein Ruf eilt ihm voraus und so sieht sich der selbst ernannte "Doktor der Liebe" gleich nach seiner Ankunft von zahlreichen Frauen umringt, die um seine Gunst buhlen. Wie Casanova sich jedoch selbst eingestehen muss, ist der eigentliche Grund für seinen verlängerten Aufenthalt in der Stadt die Anwesenheit der schönen Francesca. Ihre Bekanntschaft hat einige Jahre vor der Eheschließung mit dem greisen Grafen von Parma bei beiden einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen.
Als Francesca, nunmehr Gräfin von Parma, ihm einen Brief mit den schlichten Worten "Sehen muss ich Dich!" zukommen lassen will, wird dieser vom wachsamen Gatten abgefangen. Von Eifersucht getrieben sucht der Graf seinen Nebenbuhler auf, um ihm einen Pakt vorzuschlagen: Casanova wird eine Liebesnacht mit der Gräfin verbringen, damit sie von ihrer sehnsüchtigen Besessenheit geheilt wird. Danach soll er die Stadt für immer verlassen. Im Gegenzug bietet der Graf dem Reisenden freies Geleit über die Grenzen hinweg und materielle Zuwendung an. Am Abend des großen Maskenballs, für den das T?te-…-T?te geplant ist, kommt es schließlich zur Begegnung der beiden Liebenden. Sie findet allerdings unter anderen Umständen statt als vom Grafen geplant.
M rai zeichnet Casanova als einen Mann voller Widersprüche, der ständig mit sich selbst darum kämpft, sein Leben und Lieben als Kunstwerk zu begreifen. In dieser Eitelkeit liegt seine Schwäche, an die der Graf mit seinem intriganten Plan appelliert. Hin- und hergerissen zwischen düsterem Selbstzweifel, kompensiert in der Sucht nach weiblicher Anerkennung einerseits und manischer Lebenslust andererseits, ist Casanova längst zu der Einsicht gelangt, dass es ihm niemals gelingen wird, glücklich zu werden.
Der Schauspieler Sylvester Groth spricht die Rolle des Casanova mit eindrucksvoller Intensität. Bis in die Atmung hinein verkörpert er die emotionalen Erschütterungen eines Menschen zwischen Freiheitsdrang, künstlerischem Selbstverständnis und verzweifelter Sehnsucht nach der wahren Liebe. Lena Stolze unterstreicht dagegen mit ihrer Interpretation der Gräfin von Parma das ruhige Selbstbewusstsein einer Frau, die recht genaue Vor-stellungen davon hat, wie sie ihrem Glück auf die Sprünge helfen will. Die entschlossene Erscheinung Francescas, welche Casanova bezeichnenderweise in Männerkleidung - ein wenig gender trouble darfïs schon sein - und mit konkreten Plänen entgegen tritt, ruft bei dem für den Maskenball in Frauenkleider geschlüpften "Liebeskünstler" große Verunsicherung hervor.
Mit melodisch zumeist verspielten Kompositionen von Henrik Albrecht werden die Dialoge dezent, aber dennoch effektvoll untermalt. Die Einspielung von authentischen Hintergrundgeräuschen in den verschiedenen Szenen schafft eine anspruchsvolle Tonkulisse, die den Rahmen für die bis in die Nebenrollen hervorragenden Sprecher abgibt. All dies macht "Die Gräfin von Parma" zu einem eindrucksvollen und somit empfehlenswerten Hör-Erlebnis.
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