Der Titel kommt nicht gerade dezent daher: "Blutnacht - Nachtblut" heißt der neueste Band mit Kurzgeschichten der Duisburger Kriminalschriftstellerin Patricia Vohwinkel. Die Autorin selbst liest fünf der insgesamt zehn Erzählungen in einer Anfang 2005 erschienenen Hörbuchfassung.
Blut fließt darin - entgegen den Erwartungen, die der Titel weckt - allerdings eher wenig. Und die Autorin beschränkt sich bei der Ausgestaltung der unterschiedlichen Szenarien auch keineswegs auf die Stunden rund um Mitternacht. Herausgekommen sind deshalb sehr unterschiedliche Geschichten. Das gilt sowohl inhaltlich, als auch bei der der literarischen Qualität.
Vohwinkel eröffnet ihre Lesung mit der Erzählung "Ein Fenster nach Westen". Eine Frau malt sich darin die Ermordung ihres Liebhabers aus. Die Inszenierung des Zusammenspiels von Erotik und Tod grenzt dabei bisweilen ans Kitschige. Die gehäufte Nennung von Begriffen wie "Erwartung", "Verlangen" oder "Wollust" ersetzt eben gerade nicht eine subtiler erzeugte Atmosphäre solcher Empfindungen.
Doch Vohwinkel ist auch in der Lage, um die Standard-Ausstattung literarischen Horrors herum tiefschichtig angelegte Handlungen zu spinnen.Das zeigt die anschließend vorgetragene Geschichte. Ein abgelegenes, verfallenes Gutshaus mit verrammelten Fensterläden und einer mysteriösen alten Frau als Bewohnerin bilden das klassische Setting der Erzählung "Paulinchen war allein zu Haus". Die Erzählerin, eine Krimiautorin zu Gast auf dem Gutshof, wird auf beängstigende Weise in die traumatische Vergangenheit ihrer unheimlichen Wirtin hineingezogen. Über die Niederschrift ihrer Erlebnisse wird die junge Frau schließlich selbst zur Schlüsselfigur der Handlung.
Wie beim "Fenster nach Westen" stört allerdings auch bei diesem Text die Art und Weise, in der Vohwinkel ihn rezitiert: Ihr Bemühen, die Spannung der Erzählung mit Hilfe der Intonation zu verstärken, wirkt überzogen. Die Autorin dehnt Nebenwörter teilweise unendlich in die Länge und presst die Sätze in melodische Spannungsbögen. Das erzielt insgesamt eher das Gegenteil des vermutlich gewünschten Effektes: Der Vortrag wirkt monoton. Zudem behält Vohwinkel ihren überbetonten Erzähl-Stil nicht etwa der Erzählerin ihrer Geschichte vo. Vielmehr legt sie ihn auch ihren Figuren bei der direkten Rede in den Mund.
Es ist gut vorstellbar, dass Vohwinkels Vortragsweise bei Live-Lesungen mit der entsprechend geschaffenen Atmosphäre starke Wirkung erzielt. Beim Zuhören vor dem CD-Spieler strapaziert sie jedoch nach einiger Zeit unnötig die Nerven.
Die Autorin selbst beweist, dass es auch anders geht. Die Rezitation der letzten drei Kurzgeschichten ist deutlich schlichter. Vohwinkels literarische Stärke, einen sich in der Psyche des einzelnen abspielenden, ganz persönlichen Horrorfilm in Szene zu setzen, tritt stärker in den Vordergrund und wird nicht mit einem überzogen dramatischen Vortrag vertuscht.
So zeichnet die Autorin etwa eindrucksvoll das Psychogramm eines paranoiden, mittelmäßig gebildeten und begabten Mannes nach. Er steigert sich in den Wahn hinein, ein Zeichen gegen die Weltherrschaft der Illuminaten setzen zu müssen. Deshalb beschließt er, David Beckham, zu töten, der ein Trikot mit der Illuminaten-Geheimzahl 23 trägt
Die tief sitzenden Ängste einer schwangeren Frau bilden dagegen die Voraussetzung für eine die Grenzen von Albtraum und Realität verwischende Begegnung mit einer alten Schulfreudin. Von ihr berichtet die Erzählung "Stille Nacht, Heilige Nacht".
Besonders eindrucksvoll beschreibt Vohwinkel auch die psychischen Deformationen des Herrn Niemann in der Geschichte "Der Agavenmann". Niemann bekommt regelmäßig Post von seinem Mörder, der ihm seinen bald bevorstehenden Tod ankündigt. Erst das Gefühl des Ausgeliefertseins auf Leben und Tod an den Willen eines Unbekannten gibt Niemann den Kick. Ansonsten spielt sich sein Leben in sehr eingefahrenen Bahnen ab.
Mit einem feinen Gespür für die Pervertiertheit der Situation ihres Protagonisten zieht Vohwinkel den Zuhörer ihren Bann. Und gerne folgt er dann der Einladung zu einer "Reise auf die dunkle Seite der Seele", die auf dem Cover angekündigt wird.
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