Die Freude beginnt schon beim Auspacken. Schlägt man eines der beiden Bücher mit bunt bemaltem Kunststoffcover auf, so verbergen sich darin - feinsäuberlich in kleine Fächer eingelegt - sechs Doppelhüllen. 12 Cassetten werde ich also abhören müssen, um die "Deutschstunde" von Siegfried Lenz akustisch zu lesen.
Mit diesem Hörbuch ist dem Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen 1994 eine hervorragende Umsetzung des Lenz-Romans geglückt.
Die "Deutschstunde" zählt inswischen zu den Klassikern der Nachkriegsliteratur. Siegfried Lenz beschreibt darin den kleinen Widerstand des Malers Emil Nolde gegen die Nazidiktatur und seine eigene Beihilfe dazu. Sein Vater führt als Polizeiposten nur Befehle aus, wenn er das Malverbot gegen seinen alten Freund durchsetzt. Der kleine Siggi hilft dem Maler, seine Bilder in der Mühle vor dem Zugriff der dörflichen Staatsgewalt zu verstecken.
Der Münchener Hörleser Reiner Unglaub versteht es, den Zuhörer gleich zu Beginn zu packen und nicht wieder loszulassen. Er läßt die Schiffe ruhig auf der Elbe entlangtuckern und den Polizeiposten Rugbüll mit seinem Fahrrad angestrengt gegen schneidenden Wind antreten, verstellt bei der direkten Rede seine Stimme und verleiht damit jeder Figur ihren unverwechselbaren Charakter. Auch der norddeutsche Dialekt fehlt nicht, wenn der "Maler" mit brummiger Stimme knurrt; sein Widersacher Jens formuliert seine Sätze eher bedächtig.
Vor dem Auge des Lesers entstehen plastische Bilder, wenn Unglaubs Stimme die Beschreibung der Trauergemeinde auf dem Friedhof Riepen mit beiläufiger Ironie wirkungsvoll zur Geltung bringt oder die knisternde Spannung beim Brand der Mühle in atemloses Stakkato preßt.
Siegfried Lenz selbst hat mit seiner - leider beinahe teilnahmslosen- Lesung für den Hessischen Rundfunk 1995 weniger überzeugt als der hervorragende Unglaub.
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