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  Voyeuristische Gelegenheitskomik: Voicerecorder

Wenn ein einfacher Komiker versucht, Menschen auf niedrigem Niveau zu unterhalten, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Versucht aber ein hochgefeierter Pop-Literat als deutsches Nachwuchstalent, ein höheres Niveau zu erreichen, ist es bedauerlich, wenn ihm das nicht gelingt. Benjamin von Stuckrad Barre, bekannt geworden durch sein erstes Buch "Soloalbum", hat nun auch sein Werk "Blackbox" aus Live-Lesungen zusammengeschnitten im Hörverlag herausgebracht. Die Aufnahmen aus der Blackbox-Tournee sind ein buntes Gemisch aus eigenen Beobachtungen, fiktiven Geschichten und realer Satire.
Treffend schildert er die gemischten Gefühle eines Studienanfängers in der neuen Stadt. Randys erste Erkundungsversuche in seiner neuen Wohnung regen zum Schmunzeln an, er versucht, keinen schlechten Eindruck bei seiner Mitbewohnerin zu hinterlassen. Als Neuankömmling sei man stets der "wie-heißt-Du-noch-mal", das Studium sei allerdings die Zeit, in der man am schnellsten vom "wie-heißt-du-noch-mal" zum "muss-auch-kommen" wird.
Amüsant ist seine Satire auf die verschnarchte Weltstadt Bonn, die den Weggang Bundesregierung nach Berlin nicht verkraftet hat. Die Wiedergabe der Alfred Biolek Kochsendung "Alfredissimo" wirkt eher albern, auch die Gedanken eines Urwaldreisenden bei einem Arztbesuch sind eher überzogen und westlich-überheblich als komisch. Es wird nicht klar, ob Stuckrad-Barre den Anspruch hat, lustig zu sein, oder seine teilweise richtigen Beobachtungen und Wahrnehmungen der ihn umgebenden Realität einfach Literatur sein sollen. Sein Problem ist, dass ihm diese Gratwanderung zwischen Komik und Literatur nicht immer gelingt.
Ein gutes Sprachgefühl und die gekonnte Wiedergabe dessen, was gerade "in" ist, lassen sich ihm nicht absprechen. Doch wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen: Stuckrad-Barres Arroganz liegt darin, dass er sich über eine Generation, über Modebewegungen und gesellschaftliche Prozesse stellt, deren Teil er selber ist. Sein herablassender, teilweiser gehässiger Stil scheint bei seinem Erfolg die Art von Humor zu sein, die gesellschaftlich angenommen wird. Während diese Arroganz in seinen Büchern dominiert, kann man dem gesprochenen Text bisweilen ein Lächeln abgewinnen. Benjamin von Stuckrad-Barre gelingt es, als Sprecher die amüsanten Elemente seines Textes hervorzuheben. Mit betonter Gleichgültigkeit, gezielt platzierten Sprechpausen und verträumt-melancholischem Tonfall kontrastiert er Stimme und Inhalt und schafft somit komische Gegensätze, die ausgefeilt und gekonnt sind.
Der Absprung vom Beobachter des Alltäglichen gelingt ihm jedoch nicht, seine Inhalte bleiben trivial und somit niveaulos. Er greift den vorherrschenden Zeitgeist an, tut dies aber wiederum mit Mitteln des Zeitgeistes und bietet dabei keinen Ansatz eines Auswegs. Erfolglos sucht man die Botschaft, die er vermitteln will, versucht die Kritik zu verstehen, die er an der Gesellschaft zu üben scheint. Doch ist sein Lachen nicht mehr als voyeuristisches sich-Lustig-machen, in seiner Wiedergabe des Alltäglichen scheint er die Wort-Version dessen zu sein, was uns täglich als "Daily Soap" im Fernsehen umgibt. Zum Leben der anderen nehmen wir einen Beobachtungsposten ein und lassen leben. An dem Verhalten anderer aus dieser Position Kritik zu üben nimmt den Beobachter aus der Pflicht, sich selbst zu hinterfragen. Falls der deutsche Pop-Literat meint, nicht nur über andere, sondern damit auch über sich selbst zu lachen, so versteckt er diese vermeintliche Selbstkritik hinter einer großen Portion Verachtung, Zynismus und Arroganz.
"Voicerecorder - Ausgewählte Aufnahmen aus der Blackbox-Tournee" wird Stuckrad-Barre-Liebhaber ebenso flach unterhalten, wie es auch schon die vorherigen Vertonungen seiner Bücher getan haben. p>

Benjamin von Stuckrad-Barre, "Voicerecorder"
gelesen von Benjamin von Stuckrad-Barre
Live-Mitschnitte
© 2001, Print-Erstveröffentlichung 2000
1 MC, Laufzeit 71 Minuten
Der Höverlag, München
ISBN: 3-89584-379-4

 

 

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