"Ein Original, dessen Nachahmer besser sind, ist keins", sagt Karl Rose, der in Wirklichkeit ganz anders heißt. Vieles bleibt unausgesprochen in dem spannenden Hörspiel "Der Wert des Menschen" von Walter Adler nach der literarischen Vorlage von François Emmanuel.
Sobald der Cassettenrecorder anspringt, ist es zu spät: der Leser gerät in einen Sog knisternder Spannung. Durch sonore, unheilverheißende Stimmen erfährt er von Intrigen in einem französischen Unternehmen SC-Farb. Im Auftrag des Vizechefs Karl Rose (Jörg Löw) soll der Betriebspsychologe Simon (Felix von Manteuffel) mithelfen, den Chef Mathias Just (Ernst Jacobi) auszubooten. Rose ist nämlich im Besitz von kompromittierender Informationen über seinen Chef. Es wird geflüstert, gezischt und unterschwellig gedroht. Man spürt: es ist Krieg, ein unscheinbarer, ein subtiler, ein höchst komplizierter.
Über das finstere Intrigenspiel wird der Leser zum Höhepunkt geführt, dorthin, wo alle Fäden und Handlungsstränge zusammenlaufen, wo sich die Geschichte in ihrer vielschichtigen Metaphorik verdichtet. Das Hörspiel erklärt und klärt nun auf. Gleichzeitig aber werden neue Fragen, Provokationen und schockierende Anspielungen angestoßen. Das Stück bietet hochexplosiven Sprengstoff für Phantasie und Denktätigkeit.
Herzstück der Geschichte ist ein Brief in vier Variationen. Der Originalbrief enthält einen im exakten Beamtendeutsch verfassten Bericht vom 5.6.1942. Kalt, sauber und deutsch klingt die Stimme, die Entsprechendes liest. Verwendet wird eine Sprache, die tötet und eliminiert, ohne auch nur die geringsten Spuren zu hinterlassen. Sie tötet, indem sie verschweigt und umbenennt. Was verbirgt sich allein hinter dem Wort "Ladung"?
Aber vergangen ist nicht vergangen. Wie die Sprache der Nazis ist auch die moderne Sprache der Betriebspsychologie auf Vernichtung ausgerichtet. Sie steht ganz im Dienst der Umstrukturierung der SC-Farb, die mit Menschen nicht minder grausam verfährt als die Vernichtungspolitik der Nazis. Das mechanische, tonlose Lesen der historischen wie aktuellen Dokumente ist mit einer Partitur aus "Der Tod und das Mädchen" unterlegt. Dieses Musikstück von Franz Schubert ist aber nicht nur eine musikalische Untermalung, die auf sentimentale Tränendrüsen drückt. Will "Der Tod und das Mädchen" am Ende nicht auch ablenken und vergessen machen, damals wie heute?
Die szenische und stimmliche Umsetzung im Hörspiel ist brilliant. Professionell transportieren die Schauspieler die Beklemmungen und Spannungen der literarischen Vorlage. Besonders hervorzuheben ist der Sprecher Hermann Lause als Arie Neumann. Absolut hörenswert!
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