"Iss datt enn Minensuchjerät?" Solche und ähnliche Fragen hört Sabriye Tenberken in ihrer Heimatstadt Bonn immer wieder, wenn sie mit dem weißen Langstock die Straßen entlangläuft. Völliges Unverständnis erntete die blinde Tibetologin in Peking, wo Passanten die Orientierungshilfe schlicht für einen Wanderstock hielten. Trotz aller Widrigkeiten hat sich die junge Frau allein auf den Weg ins tibetische Lhasa gemacht, um dort blinde Kinder die tastbare Brailleschrift zu lehren.
"Mein Weg führt nach Tibet" lautet der Titel ihres im vorigen Jahr erschienenen Buchs, in dem Sabriye Tenberken ihre abenteuerliche Reise und die nicht weniger spannenden Ereignisse in der tibetischen Hauptstadt schildert. Seit dem Frühsommer ist der Erlebnisbericht auch als Hörbuch auf drei Toncassetten erhältlich.
Ulrike Grote hat der blinden Autorin dafür ihre Stimme geliehen. Anfangs wirkt die Lesung noch ein wenig unsicher, doch sehr schnell baut die Sprecherin die Spannung auf, die Buch wie Cassetten zu einem fesselnden Zeitvertreib machen. Die chinesischen Behörden legen der jungen Deutschen Steine in den Weg, behaupten gar, in Tibet gebe es keine blinden Kinder. Nach anstrengendem und gefährlichem Ritt durch das Hochland findet Tenberken diese Kinder dann oft in finsteren Verstecken. Viele Eltern schämen sich der Behinderung ihres Nachwuchses und glauben, "böse Geister" seien dafür verantwortlich.
Der "Gute Geist" an Sabriyes Seite, der Holländer Paul, verliebt sich in die hübsche Entwicklungshelferin. Mit Starrsinn, Erfindungsreichtum und Einfühlungsvermögen meistert sie zahlreiche Schwierigkeiten: Ein inkompetenter Trägerverein in Deutschland überweist nicht das notwendige Geld, ein unredlicher Projektpartner in Lhasa schafft heimlich Mittel beiseite und sorgt dafür, dass Sabriye und Paul die Visa entzogen werden. Vor allem aber sind es die blinden Kinder, die die ganze Aufmerksamkeit der Erzählerin und ihres Publikums erhalten.
Ulrike Grote schildert all das sehr eindringlich und teilnahmsvoll. Ihre junge Stimme ähnelt der der Autorin, deren spannenden Text sie packend vorliest. So gerät das Hörbuch trotz mancher rührseligen Szene niemals zur Mitleids-Story über arme Blinde. Vielmehr ist es ein wunderschönes Dokument deer Kraft, die eine Behinderung verleihen kann. Selbst die Lektüre dieser Geschichte kann noch Kraft spenden, hat doch die Autorin - und davon schreibt sie vor lauter Bescheidenheit nichts in ihrem Buch - ihr ganzes Geld in den Aufbau der ersten Blindenschule Tibets gesteckt. Wie schrieb doch der portugiesische Literatur-Nobelpreisträger
José Saramago: "Blind sein heißt kämpfen."
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