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  Wie zerronnen, so gewonnen: Erlebnis des Marschalls von Bassompierre

"Den 22. Juli 1848 vor 6 Uhr morgens verließ ein Streifkommando die zweite Eskadron mit Valendronkürassieren unter Rittmeister Rofano das Casino San Alesandro." So geht es los und so geht es weiter in der "Reitergeschichte" von Hugo von Hoffmannsthal. Zusammen mit dem "Erlebnis des Marschalls von Bassompierre" ist sie nun als Hörbuch auf CD im Reclam-Verlag erschienen.
Verschachtelte Bandwurmsätze, die Martin Seifert den Hörern regelrecht um die Ohren haut, ziehen sich durch die Geschichte. So ist zu hören, wie eine "schöne Reiterschwadron" sämtliche Hindernisse auf dem Ritt gen Mailand beseitigt und bis zum bitteren Ende weitere Schlachten erfolgreich besteht.
Und was macht der Leser mit den militärischen Fachausdrücken, die befremden und die Konzentration über Gebühr strapazieren? Soll er sie am Beispiel der Reiterschwadron im Handumdrehen beseitigen, einfach überhören, oder nach jedem zweiten Wort das Lexikon bemühen? In der Tat: auch der Hörer muß eine Schlacht bestehen. Eigentlich könnte die Geschichte richtig gänsehautttreibend sein, wenn der deutsche Edgar Allan Poe eine schaurige Dorflandschaft, ein braunes Pferd oder eine seltsame Frau schildert. Deren Anblick hinterläßt bei dem Wachtmeister Anton Lerch einen "Splitter im Fleisch" , um den sich wilde Machtphantasien ranken. Die Wirkung, wie dann zu hören ist, ist verheerend wie rätselhaft.
Dass dieser Vortrag indes keine Phantasien vor dem geistigen Auge erzeugt, ist sicher nicht der meisterhaften Erzähltechnik Hofmannsthals geschuldet. Schwache Akzentuierungen sowie ein zu langsames Tempo des Sprechers werden den sprachlichen Feinheiten des Werks bei weitem nicht gerecht. Im Gegenteil, die Leseweise verschleiert mehr als sie transportiert und läßt die ohnehin langen Sätze noch schwerfälliger erscheinen. Schade!
Anders kommt die Umsetzung der zweiten Geschichte "Erlebnis des Marschalls von Bassompierre" daher. Ganz im Sinne des Erfinders versteht es Martin Seifert, eine Liebesgeschichte zur Zeit der wütenden Pest in Frankreich anschaulich an den Leser zu bringen. Die alten holprigen Gassen, das verschämte Grüßen zwischen dem Marschall und einer Krämerin , sowie deren erstes Rendezvous in einem mysteriösen Kaminzimmer malt Seifert überzeugend aus. Pointiertes Lesen führt den Zuhörenden aber auch die innere Gefühlswelt des Marschalls plastisch vor Augen, wie er dem zweiten Stelldichein entgegenfibert. Dann wird es höchst seltsam. Es geht nicht mit rechten Dingen zu, die ungesagt, aber umso wirkungsvoller im Raum stehen. Bis auf geringfügige Mängel ist das Hörbuch insgesamt empfehlenswert.

Hugo von Hoffmannsthal, "Erlebnis des Marschalls von Bassompierre"
gelesen von Martin Seifert
© 2000, Print-Erstveröffentlichungen um 1900
1 CD, Laufzeit 61 Minuten
Reclam Verlag, Stuttgart
ISBN: 3-15-120017-6

 

 

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