[hoerBUCHtipps]
autoren                 |               sprecher                 |                   verlage                    |                 kritiker               |                         impressum

  

                                  

  Spitze Zunge: Deutschland - ein Wintermärchen

Es war einmal und ist nicht mehr, oder? Als Heinrich Heine nach 13 Jahren aus dem Pariser Exil nach Deutschland zurückkehrt, hat sich kaum etwas verändert. Im 1844 erschienenen Gedichtwerk "Deutschland - ein Wintermärchen" hat er seine Eindrücke festgehalten. Unter der Regie von Anja Hasse und Ulrich Maske setzt die Schauspielerin Katharina Thalbach dieses Meisterwerk der politischen Poesie bravourös um. Stimmgewaltig vergegenwärtigt sie längst Vergangenes, wenn sich Heine einen bissigen Reim auf deutsche Verhältnisse, große Persönlichkeiten wie Martin Luther und Karl den Großen oder den Geist der Restauration macht.

[Verschneites Marburg]

In 27 Capiteln, teilweise Fortsetzungsgeschichten, erfährt der geneigte Hörer, worüber sich Kaiser Rotbart und Heine im Kyffhäuser unterhalten. Weniger gemütlich wird's, wenn Heine seine Gedanken über die deutsche Zollunion oder die damals übliche Zensur mitteilt.
Die Zensur ist ein wiederkehrendes Thema in seinem Werk, ebenso Preußen, das sich nach der Neuregelung Europas auf dem Wiener Kongress 1815 auch im Rheinland breitgemacht hat. "Die Preußen kommen daher, als hätten sie einen Stock verschluckt", so der gebürtige Düsseldorfer.
Kurzweilig und unterhaltsam sind die Verse, in denen Heine einen lyrischen Streifzug durch deutsche Städte unternimmt: Er startet in Köln und kutschiert in geschliffenem Versmaß über Hagen, Paderborn bis hin nach Hamburg. Dort angekommen, plaudert der Dichterfürst mit Hammonia, der schützenden Göttin Hamburgs. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt sie ihm am Schluß seiner Fahrt, wie die Zukunft der Deutschen aussieht. Ob sie ihm das gesagt hat, was wir heute wissen?
Pointiert und mit überraschenden Wendungen nimmt Heine die Mentalität der Deutschen aufs Korn. Er vergleicht sie mit einer Gans, deren Seele schön, aber deren Fleisch sehr zäh ist. "Sie besitzen das Luftreich des Traums", die in Ideologien verliebten Deutschen.
Heine fordert bei diesen oder ähnlichen Betrachtungen den Himmel auf Erden, dass jeder zu essen habe.
"Deutschland - ein Wintermärchen" - schön, aber kalt. Dem entspricht der Dichter auch formal: Anheimelnde Erzählstränge nehmen überraschende Wendungen auf der langen Kutschfahrt der satirischen Impressionen. Sie halten die Aufmerksamkeit des Hörers in Gang. Gemütliches wechselt mit zynischen Spitzen.
Katharina Thalbach arbeitet diesen Wechsel vorbildlich heraus. "Deutschland - ein Wintermärchen" ist ihr buchstäblich auf die Zunge geschrieben. Mit dunkler Reißbrettstimme kitzelt sie die Spitzen zwischen den Zeilen hervor. Quer liegen sie in den Gehörgängen, animieren zum Denken, zum Schmunzeln und zum Immer-Wieder - Hören. Die Produktion "Deutschland - ein Wintermärchen" ist einfach Spitze!

Heinrich Heine, "Deutschland - ein Wintermärchen"
gelesen von Katharina Thalbach
Regie: Anja Hasse udn Ulrich Maske
© 2001, Print-Erstveröffentlichung 1844
2 CDs, Laufzeit 89 Minuten 43 Sekunden
Jumbo Neue Medien & Verlag GmbH, Hamburg
ISBN: 3-89592-628-0
CDs Bei Amazon bestellen!

 

 

[Amazon]

 

home              |                suchen                  |            newsletter               |              gästebuch             |          kontakt


© 2002 by fjh-Journalistenbüro, D-350 37 Marburg