Soll ich oder soll ich nicht Platons "Apologie des Sokrates" auf CD in den Disc-Player legen? Diese Frage mag sich manch einer stellen, dem philosophische Texte zu schwierig anmuten. Dank der excellenten Vortragsweise von Martin Reinke ist das Hörbuch "Platon: Apologie des Sokrates" jedoch ein wahrer Genuß.
Sehr natürlich rezitiert der erfahrene Schauspieler die Verteidigungsrede des zum Tode verurteilten Philosophen. Der Text, den Reinke mit der Bedächtigkeit eines hochbetagten Mannes vorträgt, ist für den Hörer gut nachvollziehbar. Seine sprecherische Verwandlungskunst zeigt sich einmal mehr in der Rolle des Meletos. Diesen mimt er so überzeugend, dass man das Gefühl bekommt, ein anderer spräche.
Zuweilen bedarf es einiger Konzentration, der anspruchsvollen Lektüre zu folgen; doch diese Hörbuchproduktion ist eher spannend und aufschlußreich als schwer verdaulich.
Die von Platon verfasste "Apologie des Sokrates", der zu Lebzeiten selbst keine einzige Zeile geschrieben hat, zeichnet einen authentischen Gerichtsprozeß im Jahr 399 vor Christus nach. Man beschuldigt den Athener Sokrates, "unterirdische und himmlische Dinge" erforscht und verbreitet zu haben. Außerdem klagt man ihn der Verführung der Jugend an, die er aus kommerziellem Interesse erzogen habe.
In seiner Rede widerlegt Sokrates diese Anschuldigungen im Handumdrehen. Es ist ein Vergnügen, zu hören, wie der 70jährige seine Ankläger mit Hilfe seines berühmt-berüchtigten Dialogs regelrecht an die Wand redet. Er konfrontiert sie mit ihren eigenen Widersprüchen. Außer Stammeln und betretenem Schweigen haben seine Kontrahenten den scharfsinnigen Ausführungen nichts entgegenzusetzen. Man bekommt schnell den Eindruck, nicht Sokrates, sondern seine Kritiker säßen auf der Anklagebank.
Dieses Hörbuch bietet aber mehr als nur eine mitreißende Rhetorik-Show. Einer der bedeutendsten Philosophen, der von sich gesagt hat, dass er weiß, nichts zu wissen, gibt in der weltbekannten Apologie Zeugnis über wahrhaftiges und mutiges Verhalten. Die Wahrheit, nach der Sokrates unaufhaltsam forschte und die er zu verwirklichen suchte, hat ihm schließlich Kopf und Kragen gekostet.
Doch ist dieses Hörbuch nicht überholt in einer Zeit, in der jedes Mittel recht ist, um seine Interessen durchzusetzen? Im Gegenteil. Der Entschluß des Sokrates, lieber in den Tod zu gehen als seine Wahrheitssuche aufzugeben, bietet eine brauchbare Alternative. Die Wahrheit, die es zu erforschen und mit allem Mut zu verteidigen gilt, ist das, was der Mensch eigentlich zum Leben benötigt. Der Mensch lebt nun einmal nicht vom Brot allein, oder kommt erst das Fressen und dann die Moral?
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