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  Genau geEicht: Gedichte, Hörspiel und ein essay

"Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt!" unvergessen ist dieser Satz. Doch wer kennt noch den Autor dieser Aufforderung? Er ist Träger des Georg-Büchner-Preises von 1959 und vieler anderer Auszeichnungen. Als einer der erlesensten Lyriker und Hörspielautoren der Nachkriegszeit hat Günter Eich Maßstäbe gesetzt. Eine CD der NOA-NOA Hör-Buchedition stellt einmal mehr unter Beweis, dass der 1907 geborene Schriftsteller auch heute noch viel mitzuteilen hat.
Nur lautstarkes Knistern verrät: die Aufnahme muss älteren Datums sein. Ihr nostalgischer Charme wird verstärkt durch die sonore Stimme des 1972 verstorbenen Eich. 16 Gedichte trägt er vor.
Der an trockene Zahlen, Daten und Begriffe gewöhnte Hörer saugt die poetische Sprache regelrecht auf. Eigenwillige Wortkonstellationen und phantastische Bilder formieren sich vor dem geistigen Auge zu einem surrealistischen Theater, wenn Eich aus seinem Gedicht "Ende des Sommers" rezitiert: "Bald wird die Vogelsprache entziffert. Unter der Zunge ist der Pfennig zu schmecken."
Ein melancholischer Grundton ist hörbar, paradoxe Überraschungseffekte ergreifen. Sie machen neugierig, tiefere Schichten der Gedichte auszuloten, die ein erstes Hören nur erahnen läßt.
Anschließend folgt das 1932 verfasste Hörspiel "Der Traum am Edsin Gol", das erst 1950 Premiere feierte. Es handelt von einer Identitätsproblematik. Sie ist aktueller denn je in einer Zeit, die von hoher Arbeitslosigkeit und zunehmendem Werteverfall gekennzeichnet ist. Es geht um den Neid, weil der andere reicher, klüger oder erfolgreicher ist.
"Wie kann ich mir das Glück des anderen aneignen?", fragt sich Ludwig Krämer (Hans-Christian Blech). Der andere ist sein Kollege Bernd Godemann (Klaus Jürgen Wussow). Beide führen auf einer gottverlassenen Wetterstation in der Mongolei meteorologische Untersuchungen durch.
Der monologisierende Krämer verrät beim Eintrag in sein Tagebuch, dass er seinem Kollegen Blausäure in die Thermosflasche gegeben hat. Statt der erhofften Erleichterung stellen sich aber erste Zweifel ein. Krämer denkt beispielsweise laut nach, ob es das alles gibt, woran der Mensch festhält: die Wörter, die Erinnerungen.
Hohe Anspannung und Zerrissenheit stehen im geräuschlosen Raum. Krämer wehrt sich gegen den Schlaf und seine Schatten, Doch dann übermannt er ihn: Der Traum am Edsin Gol.
Der Hörer wird mitgerissen in vielschichtige Tiefen: Metaphern, Sinnsprüche aus der Bibel - eine wunderbar verklärte Traumsprache - zeigen schließlich den Ausweg, den Weg zu sich, der immer auch ein Weg zu dem anderen ist.
Den Schluß der etwa 60 minütigen CD bildet ein essay von Dr. Steffen Ewig. Sein Titel ist der des Gedichts "Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt." Der Aufsatz ist im Gedenken an Günter Eich verfasst worden. Im Vordergrund dieser - von dem Verleger Jan Koester gelesenen - Schrift steht viel Biographisches zu Eich. Der Text ist auf dem beiliegenden booklett in ganzer Länge abgedruckt.
Insgesamt vermittelt diese Zusammenstellung aus Lesung, Hörspiel und essay einen abgerundeten Eindruck zu Leben und Werk Günter Eichs. Man kann diese CD nur jedem weiterempfehlen, auch wenn Eich die Erwartungen an sein Werk selbst sehr bescheiden formuliert hat: "In Saloniki weiß ich einen, der mich liest, und in Bad Nauheim,; Das sind schon zwei."

Günter Eich, "Gedichte, Hörspiel und ein essay"
Gelesen von Günter Eich und Jan Koester
s Hörspiel: Norddeutscher Rundfunk ( NDR) 1962
© 2002 NOA NOA Hör-Buchedition
1 CD, Laufzeit ca. 60 Minuten
NOA NOA Hör-Buchedition, München
ISBN 3-932929-34-9

 

 

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