Was geschah im Frühsommer 1970 ? Was sich seit Menschengedenken ständig wiederholt: Krieg!
Das Hörspiel "Frühsommer 1970" nach einer Vorlage des Erzählbandes "Angesichts der Wälder" von Abraham B. Jehoschua erschien 2002 in der Noa Noa- Hör-Buchedition.
Es geht um Krieg und seine Opfer, um junge Soldaten, die 1970 im Jordantal gefallen sind. An einem Einzelschicksal belegt das Stück einmal mehr die Absurdität des Krieges. Kaminka (Hans-Christian Blech), ein unbequemer Bibellehrer, soll aus dem Schuldienst entlassen werden. Kaminka, ein liebender Familienvater, verliert seinen Sohn. Überzeugend verbindet Blech die Extreme einer zärtlich trauernden und einer kämpferischen Persönlichkeit.
Vor Beginn einer Unterrichtsstunde erfährt der Lehrer vom Tode seines Sohnes. Am Tatort angekommen, überrascht den Vater eine weitere Nachricht. Wiederum Tage später schließt sich der Kreis mit einer Neuigkeit, die eigentlich schon keine mehr ist. Quälende
Ungewissheit, immer in der Erwartung zwischen einem hoffnungsvollen "Vielleicht" und einem bedrückenden "Wahrscheinlich", durchzieht das literarisch anspruchsvolle Hörstück. Vorbei an fragmentarisch eingestreuten Texten, jüdischen Klageliedern und Stimmen aus dem Radio nimmt der Protagonist den Hörer mit auf die Reise in die Vergangenheit, in jenes Jahr 1970.
Authentisch und lebendig von Blech vorgetragen, vermag sich der Hörer mühelos in das Geschehen hineinzuversetzen. Gleichzeitig fordern die im retrospektiven Erzählstil fern und verklärt wirkenden Ereignisse zu einer distanzierten Betrachtung heraus.
Sätze von ausschließlich jungen Menschen verbinden sich mit dem traurig bis zerbrechlich klingenden Erzählton eines alten Mannes zu kontrastreichen Momentaufnahmen. Nur der Moment, an den sich Kaminka einige Male erinnert, ist immer wieder der gleiche. Es ist ein verzweifelter Versuch in diesem Rekapitulieren, den unausweichlichen Tod in einem sinnlosen Krieg zu begreifen, ihn dingfest zu machen.
Über analoge Vergleiche setzt das Hörspiel vielfältige Assoziationen zum Thema frei. Doch hinterläßt es auch viele Fragen. Das Stück ist vor allem ein leiser Appell an das konsequente Festhalten von Werten im Kampf gegen einen Krieg, der sich wiederholt wie die Szene im Frühsommer 1970.
Dank der hervorragenden Sprecherleistung des 1993 verstorbenen Schauspielers Hans-Christian Blech und angesichts des drohenden Irak-Krieges ist diese - unter der Regie von Christiane Ohaus entstandene - Produktion des RIAS Berlin sehr empfehlenswert.
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