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  Seltsame Zufälle: Das rote Notizbuch

Mit einem falsch verbundenen Anrufer beginnt die Geschichte des Schriftstellers Quinn. Zweimal verlangt der Unbekannte, den Privatdetektiv Paul Auster zu sprechen. Quinn wimmelt den Mann zunächst ab, gibt sich am dritten Abend jedoch tatsächlich für Paul Auster aus.
Die Grundidee des Romans "Stadt aus Glas", einem Teil seiner New-York-Trilogie, hat der amerikanische Schriftsteller Paul Auster selbst erlebt. In seiner biografischen Episodensammlung "Das rote Notizbuch" beschreibt Auster eigene obskure, zufällige Erlebnisse. Wie die Werke keines anderen Schriftstellers sind Austers Texte vom Zufall geprägt.
Der Schauspieler Thomas Schücke hat den schmalen Band bereits 1998 auf Band gesprochen. Diese Aufnahmen sind nun in der Noa Noa Hör-Buchedition als CD erschienen.
Die oft rätselhaften Texte Austers, denen es noch mehr an Gewöhnlichkeit fehlt als seinen Romanen, spricht Schücke mit nüchterner, klarer Stimme. Er verzichtet darauf, der schnörkellosen, puren Sprache Austers interpretatorische Kontraste aufzuzwingen. Und das ist gut so.
Austers Literatur besticht durch verblüffenden Ideenreichtum, der einen abgehobenen Sprachstil nicht nötig hat. Die Protagonisten seiner Geschichten sind vom Zufall Getriebene, die Wendungen nie voraussehbar. Das ist ein Grundthema Austers, dass er mit seinem Roman "Die Musik des Zufalls" zur Vollkommenheit gebracht hat.
Wie Austers Romane scheint auch sein eigenes Leben von Zufällen geprägt zu sein. In "Das rote Notizbuch" beschreibt er eigene Erlebnisse aus seiner Zeit in Frankreich sowie Lebens- und Liebesgeschichten, die ihm von Freunden berichtet wurden. Immer hat der Zufall dabei seine Hand mit im Spiel . Derartige Konstellationen faszinieren den Autor.
So geht die Schwester seiner Frau Siri Hustvedt nach Taipeh, um chinesisch zu studieren. Sie lernt dort eine Frau kennen, die vor dem selben Hintergrund nach Taiwan gekommen ist. Im Gespräch stellen die Frauen fest, dass ihre Schwestern beide in New York leben. Sehr schnell kristallisiert sich außerdem heraus, dass die Schwestern sogar im selben Haus auf der selben
Etage wohnen.
Neben diese Geschichte gesellt sich auch so mancher tragische Lebensbericht. So erfährt eine Frau durch den Tod ihres Schwiegervaters, dass sie ihren Halbbruder geheiratet hat. Oder ein französischer Dichterfreund Austers schickt seinem Vater, den er seit seiner Kindheit nicht gesehen hat, spontan eines seiner Bücher. Der Vater antwortet in einem Brief, dass sein so lange verschollener Sohn das Buch ausgerechnet am Geburtstag des Vaters abgeschickt hat. Ehe der Schriftsteller seinen Vater in Lyon besuchen kann, stirbt dieser jedoch.
Die Episoden, die Auster über die Jahre in seinem roten Notizbuch festgehalten hat, bieten Anhängern seiner Literatur die Möglichkeit, neben seinen biografischen Romanen nochmals in Austers Welt einzutauchen. Insbesondere die Beschreibung, wie sein eigenes Leben Quelle eines seiner bekanntesten Bücher wurde, fasziniert. Als Auster das Erlebnis niederschrieb, hatte er "Stadt aus Glas" bereits zehn Jahre beendet.
Durch einen weiteren verwirrenden Anruf mag er wieder daran erinnert worden sein: Zwei Monate vor seiner Aufzeichnung erhielt Auster den Anruf eines mit spanischem Akzent sprechenden Mannes. Dieser suchte nicht etwa die Agentur Pinkerton, wie Auster es Jahre zuvor erlebt hatte. Der Anrufer verlangte vielmehr nach einem Mann, den Auster sehr gut kennt: Quinn!

Paul Auster, "Das rote Notizbuch"
Gelesen von Thomas Schücke
Regie: Jan Koester
© 2001 Noa Noa Hör-Buchedition
1 CD, 78 Minuten
NOA NOA Hör-Buchedition, München
ISBN 3-932929-24-1

 

 

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