Religionen - was wollen sie, was bewirken sie, welche gibt es überhaupt? Das sind die Kernfragen, auf die das Hörbuch "Die Weltreligionen" nach einer gekürzten Textvorlage von Arnulf Zitelmann antwortet. 5 CD´s, erschienen2002 bei der Hamburger Hörcompany, lassen aufhorchen. Den Hörer erwarten über 5 Stunden unterhaltsame Bildungslektüre, die immer wieder überrascht.
Fernab von trockener Doziererei ist das Hörbuch alles andere als langatmig. Und das Schöne ist: Gerhard Garbers liest, als erzählte er. Man möchte sich buchstäblich in seinen Vortrag hineinlegen.
Nach einem kurzen Einstieg über Sinn und Zweck von Religionen präsentiert Zitelmann die 5 Weltreligionen in chronologischer Reihenfolge: Taoismus, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und den Islam. Ihre Schriften sind das Tao Te King, die Upanishaden, die Tora, die Bibel und der Koran. Lao Tse, Buddha, Moses und die Propheten , Jesus sowie Mohammad waren ihre Gründer. Und - kaum zu glauben - sie waren durchweg rebellische Naturen!
Historische Entwicklungen und auflockernde Anekdoten bringt der Philosoph und Theologe ebenso zur Sprache wie Auswirkungen der Religionen auf die heutige Zeit. So prägte der im alten China aufkommende Taoismus mit seinem Widerstand gegen die "Balkenstarken" den legendären indischen Politiker Mahatma Ghandi sowie die spätere Friedensbewegung. In dieser Tradition steht nicht zuletzt auch die aufsehenerregende Falun-Gong-Sekte.
Neben weiteren Beispielen wird das in der islamischen Welt bestehende Schisma zwischen Sunniten und Schiiten ergründet. Es ist auf einen - plastisch geschilderten - Erbfolgestreit im Hause Mohammads zurückzuführen.
Interessant sind neben vertiefenden Einblicken und ungewohnten Perspektiven die zeitlichen und inhaltlichen Parallelen zwischen den Religionen und ihren Stiftern. Frappierende Ähnlichkeiten zwischen Martin Luther und dem Gründer des Amida-Buddhismus in Japan verblüffen. Sokrates und Esra, der im Zuge der Rückführung aus dem babylonischen Exil die jüdische Schrift- und Gelehrtenkultur begründete, sind sich ähnlicher, als man denkt. Gegenüberstellungen dieser Art lockern auf und vertiefen darüber hinaus das Gehörte.
Provokante Thesen tun ein Übriges, um den Hörer bei der Stange zu halten: Der Prager Schriftsteller Franz Kafka beispielsweise soll seine Werke ausschließlich vor dem Hintergrund des jüdischen "Galut ", dem Heute - Hier - Morgen - Dort- Gefühl geschrieben haben. Und dass ein Erleuchteter wie Guatama Buddha Frauen und Behinderte aus seiner Glaubensgemeinschaft ausschloß, mag selbst eingefleischte Buddhisten überraschen. Buddha, so ist zu hören, war eben auch nur ein Mensch, der seine hinduistischen Wurzeln in einem hierarschisch gestuften Kastenwesen hatte.
Jesus hingegen integrierte, statt auszuschließen. Hartnäckkig überlieferte Fehlinterpretationen stellt Zitelmann auf nachvollziehbare Weise richtig: Die "Armen im Geiste", von denen Jesus in seiner Bergpredigt spricht, sind nicht behindert. Ebenso sei der Satz "Er ist für uns am Kreuz gestorben" nicht , wie oft angenommen, philosophisch , sondern vor historischem Hintergrund zu verstehen.
Dieses unkonventionelle und gleichzeitig sachlich korrekte Hörbuch tut einen unschätzbaren Dienst an der Allgemeinbildung - sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Ein dickes Lob geht an den hervorragenden Sprecher Gerhard Garbers.
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