"Christian Brückner liest "Die Kathedrale" und zwei weitere Erzählungen." Das steht auf dem Cover der CD Hülle. 141 Minuten unterhaltsames Hörkino erwarten die Hörer. Raymond Carvers Kurzgeschichten sind unterschiedlich, unterschiedlich in Länge und Stoff. Doch eins verbindet sie: Die Widrigkeiten des Lebens, zwischenmenschliche Konflikte, aus denen die Beteiligten geläutert hervorgehen.
Mit "Eine kleine, gute Sache" ist die erste Geschichte betitelt. Sie erzählt von den Vorbereitungen einer Geburtstagsfeier, die aber nie stattfindet. Ein Unglück ereignet sich sowie mysteriöse Anrufe in der Nacht. Es sieht bis dahin nicht gut aus, doch dann kommt es zu einem happy end, das niemand in dieser Fassung erwartet hätte. Im Mittelpunkt der Geschichte "Die Kathedrale" steht ein Gespräch zwischen zwei Männern. Der Verlauf nimmt einen ungünstigen Anfang. Wie die andere Geschichte auch endet sie glücklich. Wieder einmal siegt die Menschlichkeit, wenn ein armer Blinder, der zudem noch seine Frau verloren hat, dem Mann seiner früheren Assistentin das Sehen beibringt - freilich auf einer menschlichen Ebene. Hurra, es lebe das Klischee amerikanischer Schwarz-Weißmalerei. Dafür wird der Hörer mit der Geschichte "Das Abteil" entschädigt. Sie ist von Anfang an so angelegt, dass der Hörer über die ganze Spieldauer hinweg für Überraschungen empfänglich ist. Auf der Fahrt in eine französische Stadt blickt der Protagonist zurück auf damals, als sich sein Fleisch und Blut nach einem handfesten Streit auf und davon gemacht hat. Ziel dieser Reise ist also sein Sohn. Um Zwischenmenschliches, um Konflikte und Auseinandersetzungen geht es auch hier. Doch in dieser short story trägt Raymond Carver nicht dick auf. Sie wirkt klar und gleichermaßen geheimnisvoll. Er würzt sie mit untergründigen Anspielungen, wenn er den Diebstahl einer teueren Uhr beklagt, die ein Geschenk an den Sohn sein sollte. Eine verlorene Uhr - ein verlorener Sohn ? dass die leicht gestreute Gewürzmischung aus Vor- und Hintergründigem eine große Wirkung hat, ist nicht zuletzt dem unverwechselbaren Lesen Christian Brückners zu verdanken. Als sei er mit der Geschichte verwachsen, entfaltet Brückner die dem Text eigene Melancholie und ihr unterschwelliges Knistern . Wie ein Tänzer geht er mit jedem Wechsel und jeder Bewegung mit. Fazit: hörenswert!