"Es ist mir eine große Ehre, dass ich dieses Buch lesen durfte. Ich bin sehr dankbar dafür." Die Schauspielerin Katja Riemann meint damit den biographischen Roman " Das Mädchen Anne Frank" von Melissa Müller. Dankbar sein darf auch der Hörer für 270 Minuten unterhaltsames Hörkino. Katja Riemanns Lesung fesselt von der ersten bis zur letzten Minute.
Mühelos hat man sofort das Geschehen vor Augen. Es spielt im Jahr 1944 in Holland. Zwei jüdische Familien werden in ihrem Versteck entdeckt und von der Gestapo abgeführt.
Danach wird die Geschichte in der Retrospektive fortgesetzt. Sie erzählt, wie alles anfing in Frankfurt, wie die Familie Frank ins holländische Exil fliehen und nach der deutschen Besatzung auch dort wieder untertauchen musste.
Das Tagebuch der Anne Frank lieferte die Vorlage. Es hat einen angestammten Platz in den Bücherregalen - vor allem - junger Mädchen.
In dem Roman von Melissa Müller geht es um die Sichtweisen eines 14-jährigen Mädchens, das unter ungünstigen Lebensumständen weit über sein Alter hinauswächst. Er handelt vom Erwachsenwerden, vom ersten Verliebtsein und vom Eingesperrtsein eines lebenshungrigen Teenagers, der sich nach nichts mehr sehnt als nach Freiheit . Schließlich geht es um nicht ausbleibende Konflikte von Menschen, die sich auf engstem Raum miteinander arrangieren müssen. Vor allem aber geht es um die Angst, entdeckt zu werden. Hoffnungen und Entbehrungen, die - in einer langen Kette gereiht - schließlich in den Tod münden, bestimmen den Alltag.
Minutiös und detailgetreu schildert die Autorin Umstände und Kontexte. So ist die Geschichte um Anne zum Greifen nahe.
Katja Riemann haucht dem Roman das sprichwörtliche Leben ein. Mit einfühlsamer Stimme spürt sie jedem Wechsel nach - sowohl der Perspektiven wie auch der Ebenen. Ein melancholischer Grundtenor durchzieht die Lesung. Das entspricht einem Leben, das für kurze Zeit gegenwärtig ist, ein Leben, das enden muss, noch bevor es richtig anfing.
Obschon Anne Frank viel zu früh sterben musste, ist ihre Geschichte nicht tot zu kriegen. Die Hoffnung siegt am Ende doch?