Die Liebe ist - nicht immer - ein Zuckerschlecken. Diesen Eindruck vermitteln 27 Gedichte von Mascha Kaléko, Marie Luise Kaschnitz, Erich Kästner und Joachim Ringelnatz. "Du aber bist der Hafen" lautet der Titel dieser Komposition aus frechen, melancholischen und nachdenklichen Liebesgedichten. Auf Hörbuch erschienen sind sie im Herbst 2003 bei ContraPunkt. Mit dieser abwechslungsreichen Produktion startet der frischgebackene Hörbuchverlag sein Debüt.
Die 46 Minuten Spieldauer vergehen wie im Flug. Ehe man sich versieht, ist man bei dem letzten Gedicht "Für einen" von Mascha Kaléko angekommen und bedauert, dass es nicht mehr weitergeht. Denn schön sind sie - die Gedichte rund um das Thema Liebe. Sie umfassen Trauer, Abschied, Abhängigkeiten und viele andere Motive, die klar machen: Die Liebe - diese anderswo vielgepriesene "Himmelsmacht" - hat ihre Schatten.
Eine Kostprobe: "Vorbei - verjährt - / Doch nimmer vergessen./ Ich reise./ Alles, was lange währt, / ist leise." , heißt es bei Ringelnatz in seinem Gedicht "Ich habe Dich so lieb".
Wehmütiges dieser Art wechselt mit Ernüchterndem, wenn Kaléko in ihrer "Großstadtliebe" konstatiert: "Hat man genug von weekendfahrt und Küssen, / Läßt mans einander durch die Reichspost wissen / Per Stenogramm ein Wörtchen: "aus"!"
Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhang auch die "Sachliche Romanze" von Kästner, in der "... sie einander acht Jahre kannten, und man darf sagen, sie kannten sich gut".
Bei allem Ernst ist das Gehörte auch immer wieder humorvoll. "Ein Nagel saß in einem Stück Holz, der war auf seine Gattin sehr stolz", schrieb Ringelnatz in einem Gedicht, das sogar ein happy end hat. Im wahrsten Sinne des Wortes hintervotzig kommt Kästners Schlusspointe in "Moralische Anatomie" daher: "Wo andere moralisch sind, hat sie ein Loch."
Man könnte noch weitere Gedichte zitieren, eins nach dem anderen, wie es ein übermütiges Kind tut, das etwas Schönes erlebt hat. Die Texte - zumeist aus der Mitte des 20. Jahrhunderts - sind eingängig, aber nicht kitschig. Auf alle Fälle sind sie immer noch aktuell und gut nachvollziehbar.
Es sind aber nicht allein die Texte, die bei dieser Hörbuchproduktion überzeugen. Es ist vor allem die sprecherische und musikalische Interpretation, die das Hörerleben erst möglich macht. Gedichte zu rezitieren, ihre Rhythmik und Metrik im Verein mit ihrer inhaltlichen Aussage stimmlich umzusetzen, stellt eine große Herausforderung an den Sprecher dar. Frank Suchland ist ihr gewachsen. Selbst abrupt wechselnde Stimmungslagen transportiert er zielsicher und mit selbstverständlicher Leichtigkeit. So macht das Gehörte melancholisch, nachdenklich oder wehmütig; es amüsiert, erzeugt Bilder und ganz viel Gänsehaut.
Ein Übriges tut die musikalische Untermalung, für die der Komponist Oliver Hartmann zuständig ist. Seine Musik harmoniert aufs Vortrefflichste mit den Texten, denen man noch ein wenig in den ausklingenden Takten nachsinnen möchte.
Dieses Hörbuch ist einfach zum Verlieben.
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