"Ich hoffe, die Lehrer der Carl-Strehl-Schule konnten der DBH verzeihen, dass sie den Herrn der Ringe als Hörbuch produziert hat", sagte Andreas Bethke. Als Schüler hat der Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands (DBSV) nächtelang Hörbücher gehört. Im Schulunterricht habe sich das in mangelnder Aufmerksamkeit niedergeschlagen. Doch seien diese Cassetten für ihn sehr wichtig gewesen, erklärte der blinde Biologe.
Mit einem Festakt in der Turnhalle der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) feierte die Deutsche Blinden-Hörbücherei (DBH) am Freitag (24. September) ihr 50-jähriges Bestehen. Seit 1954 verschickt Deutchlands erste Hörbücherei akustische Literatur an blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen.
Rund 6.000 Nutzerinnen und Nutzer im deutschsprachigen Raum beziehen Bücher auf Tonträgern von der DBH. Ungefähr 11.000 Titel weist der Katalog der Marburger Versandbibliothek aus. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf Sachbüchern.Andere Blinden-Hörbüchereien haben sich dagegen mehr auf belletristische Literatur spezialisiert.
Der Großteil ihrer Hörerschaft sind Menschen im Rentenalter. Im Durschschnitt "liest" ein Nutzer jedes Jahr gut 30 Titel. Für viele Nutzer sind diese Hörbücher der einzige Zeitvertreib, der ihnen nach einer Erblindung im Alter noch geblieben ist, berichtete Elke Dittmer. Die Leiterin der Hamburger Blinden-Hörbücherei ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft "Medien für Blinde und Sehbehinderte" (MediBuS).
Die bisher getrennten Arbeitsgemeinschaften der Blinden-Hörbüchereien und der Brailleschriftbdruckereien und haben sich kürzlich zugunsten dieser neuen Arbeitsgemeinschaft aufgelöst. MediBuS vertritt 21 angeschlossene Produzenten von Medien speziell für Menschen mit erheblichen Sehbeeinträchtigungen.
Diese neue Arbeitsstruktur ist nach Auffassugn des BliStA-Direktors Jürgen Hertlein eine Konsequenz des Zusammenwachsens der beiden Übermittlungsformen. Mit dem "Digital Audio Information System" (DAISY) haben die Blindenorganisationen einen neuen weltweiten Standard für Hörbücher entwickelt. Auf den Datenträgern ist nun neben dem gelesenen Buch auch dessen Text abgespeichert. Markierungen erlauben ein bequemes "Blättern" auf der CD.
Folge der Einführung von DAISY war die Notwendigkeit einer Digitalisierung aller Masterbädner der DBH. Zusammen mit einer Renovierung ihrer Räumlichkeiten auf dem Grundstück der BliStA Am Schlag hat die DBH nun auch diese Aufgabe erfolgreich abgeschlossen.
Die Bedeutung von Hörbüchern für Blinde kann auch Horst Köhler aus eigener Anschauung einschätzen. Seine Tochter Ulrike ist blind und hat an der Carl-Strehl-Schule (CSS) in Marburg Abitur gemacht. In einem schriftlichen Grußwort dankte der Bundespräsident den Mitarbeiterinnen udn Mitarbeitern der DBH für die geleistete Arbeit. Blinden und sehbehinderten Menschen verschaffen die Hörbücher aus Marburg nach seinen Worten "einen Zugang zum Land der Literatur".
Über Probleme bei der akustischen Umsetzung von Texten sprach Prof. Dr. Lothar Berger in seiner Festrede Als junger Mann sei er der erste Sprecher der DBH gewesen, berichtete er. Seine Aufnahme von "Das Brandopfer" habe der damalige BliStA-Direktor Prof. Carl strehl seinerzeit verworfen mit den Worten: "Sie sollen nicht interpretieren!" Berger hatte indes nur seine ganz persönlichen Erfahrugnen in den Text mit eingebracht: "Mein Vater war Kampfflieger und wurde abgeschossen. Mein Schulfreund war Jude. Ich habe die Synagoge brennen sehen."
Dennoch stellte Berger der Forderung "Das Werk soll sprechen" den Hinweis seines Doktorvaters Prof. Dr. Kurt Berger auf den "Hermeneutischen Zirkel" entgegen. Jeder Mensch bringe seine eigenen Erfahrungen unweigerlich in all sein Tun mit ein. Das gelte auch für das Lesen oder Vortragen von Texten.
Kritik übte Berger an dem geringen Interesse der Germanisten an der sprachlichen Umsetzung von Texten. Noch immer führe dieser Zweig der Wissenschaft ein Schattendasein. Dabei werde diese Kunst "bei der DBH bereits seit 50 Jahren auf hohem Niveau" betrieben.
Die Qualität der DBH habe auch Auswirkungen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gezeitigt, berichtete Berger. Eine Zeit lang sei mehr als ein Drittel der sprecherinnen udn Sprecher des Hessischen Rundfunks (HR) von der DBH dorthin gekommen.
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