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  Zungenspitzengefühl
Schyschiphusch: Umzug nach Marburg

"Der Text ist wie eine Partitur, die Sie mit Ihrem Instrument - der Stimme - interpretieren." Mit diesen Worten erklärte Hans Eckardt die Arbeit eines Sprechers. Der Marburger Hörbuchproduzent feierte am Samstag (30. August) den Umzug seines Unternehmens von Ebsdorfergrund-Beltershausen nach Marburg. Seit 1987 unterhält Eckardt seinen "Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen".
Seit dem Frühjahr hat der Verleger seine eigene Hörbuchproduktion bereist um einen Vertrieb für Audiobücher erweitert. Mit dem Umzug in die Marburger Bahnhofstraße kommt auch noch ein kleiner Laden für Literatur auf Tonkassette und CD hinzu. 10.000 Hörbuchtitel können Interessierte dort erwerben oder bestellen. Eine Hörstation erlaubt der Kundschaft, in die jeweilige Produktion einmal kurz hineinzuhorchen.
Neben dem Hörbuchladen befinden sich in den Räumlichkeiten an der Bahnhofstraße fünf Büroräume, das Vertriebslager und ein komplett eingerichtetes Tonstudio. Im Gegensatz zu anderen Hörbuchverlagen ersteLt Eckardt die meisten Aufnahmen selbst. Als einstiger Leiter der Deutchen Blinden-Hörbücherei (DBH) an der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) besitzt er langjährige Erfahrungen als Hörbuchregisseur.
Zu den Eigenproduktionen kommen aber auch Fremdaufnahmen beispielsweise von Rundfunkanstalten. Hörspiele und Lesungen aus dem Radio kopiert Eckardts Team hinterher auf Kassette oder CD. Das Sortiment des Marburger Verlags umfasst mittlerweile 250 Titel.
Neun Mitarbeiter sind inzwischen in Marburgs einzigem Hörbuchverlag tätig. Er war einer der ersten Verlage Deutchland, der sich ausschließlich auf gesprochene Bücher konzentriert hat. Sein Markenzeichen sind Literatur-Lesungen von hoher Qualität. Dafür bürgen neben dem Aufnahme-Team auch Sprecher wie Rainer Unglaub, Martin-Maria Schwarz und nicht zuletzt Hans Eckardt selbst.
Eine Kostprobe seines sprecherischen Könnens bot Eckardt den Festgästen mit einer Lesung zweier Texte von Wolfgang Borchert dar. "Die Küchenuhr" ist eine stimmungsvolle Anklage des Krieges und seiner vernichtenden Zerstörungswut. Die weiß-blaue Küchenuhr ist das einzige, was dem Protagonisten noch geblieben ist. Voller Melancholie betrachtet er sie, denn sie erinnert ihn an frühere Zeiten, das "Paradies".
Vorsichtig und leise las Eckardt diesen Text, doch dafür umso eindringlicher. Die leisen Töne gehen tiefer als die lauten, schrieb doch Borchert in seinem Text: "Sprechen Sie nicht von Bomben!"
Mit Borcherts "Schyschiphusch" brachte Eckardt seine Gäste nicht nur zum Lachen; er bewies auch seine sprecherische Professionalität. Dem Dialog zwischen einem selbstbewussten Biergartenbesucher und einem ängstlichen Kellner verlieh Borchert eine besondere Komik durch deren gemeinsamen Sprachfehler. Beide teilen nun miteinander die Vermutung, der jeweils andere wolle sich über diesen Sprachfehler lustig machen. Garniert hat Borchert diese Geschichte mit sprachgewandten Beschreibungen der beiden Charaktere und der Reaktionen des restlichen Publikums. Eckardt ist es gelungen, all diese Nuancen einfühlsam und witzig herauszuarbeiten. Bewundernswert war aber vor allem, dass er die Dialog-Passagen immer vorschriftsgemäß mit dem Zischlaut "Sch" sprach, während er bei den Beschreibungen auch auf das "S" und das "Z" zurückgriff. Wer schon einmal so einen Sprachfehler nachahmen wollte, der weiß, dass das nicht gerade einfach ist. Doch bei Eckardt hatte man nicht den Eindruck, er leiste da eine "Schyschiphuscharbeit".

 

 

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